Bilder der Vergangenheit statt Kunstdrucke im Seniorenzentrum

Bilder der Vergangenheit statt Kunstdrucke

Fotofreunde Krofdorf-Gleiberg stellen Seniorenzentrum 5000 alte Fotografien zur Verfügung / 70 Exponate von Feiern, Handwerk und Personen ausgewählt

Dieses Bild entstand vermutlich zur Karnevalszeit und ist Ammons Lieblingsbild.Es hängt im Erdgeschoss, das dem Thema „Feiern“ gewidmet ist.

In weißen Hemden und weißen Hosen hat sich der Männerturnverein aufgestellt. Es hängt im Turnzimmer des neuen Seniorenzemtrums Gleiberger Land. Es ist das Lieblingsbild der Pflegedienstleiterin Elisabeth Szenjan.

KROFDORF-GLEIBERG. „Wir haben lange überlegt, was wir an die Wände hängen. Wir waren uns einig, dass es kein hundertster Monet-Kunstdruck werden soll.“ Die Geschäftsführerin Sabine Ammon und Pflegedienstleiterin Elisabeth Szenjan entschieden sich schließlich für alte Bilder aus der Region, die in dem neuen Seniorenzentrum Gleiberger Land hängen sollten. Ammon ging dafür auf die Fotofreunde Krofdorf-Gleiberg zu. Der Vorsitzende Manfred Wahl stellte ihr gleich 5000 Schwarz-Weiß-Bilder als digitale Dateien zur Verfügung.

 

Ältestes Bild von 1885

Das Älteste wurde 1885 aufgenommen, die meisten stammen vom Anfang des 20. Jahrhunderts. Zunächst überlegten sich Ammon und Szenjan jeweils ein Flurthema. „Weil hier früher die Gaststätte Moos war, war klar, dass im Erdgeschoss Bilder zum Thema Feiern und Veranstaltungen hängen sollten“, erklärt Ammon. Der erste Stock ist den Themen „Handwerk und Landwirtschaft“ gewidmet, der zweite der Burg, dem Dorfplatz und anderen markanten Ecken in Krofdorf-Gleiberg. An einem Wochenende kämpften sich Ammon und Szenjan durch die Bilder und wählten 70 aus. Diese gaben sie an Wahl zurück. „Danach habe ich lange nichts gehört. Bis irgendwann Herr Seidel mit einem USB-Stick auf mich zukam“, erinnert sich die Heimleiterin. Der stellvertretende Vorsitzende Horst Seidel hatte sich der Bilder angenommen und sie aufbereitet. Im Schnitt investierte er pro Bild etwa zwei bis drei Stunden Arbeitszeit. Flecken, Kratzer und andere Fehler mussten wegretuschiert werden. „Mit Photoshop ist es heute möglich, die Bilder so hinzukriegen, dass keiner mehr irgendwelche Defekte sieht“, meint Seidel. Außerdem glich er den Farbton aller Fotografien an und sorgte für eine angemessene Auflösung, damit die Bilder auch in groß gedruckt werden konnten. „Dafür wollten wir Danke sagen. Denn diese ehrenamtliche Arbeit ist keine Selbstverständlichkeit“, betont Ammon. Aus diesem Grund überreichten sie dem Verein eine Spende von 200 Euro.

Den Fotofreunden Horst Seidel (v.l.), Manfred Wahl und Günter Schlierbach übergaben Sabine Ammon (r.) und Elisabetz Szenjan eine Spende von 200 Euro.

 

Szenjan und Ammon finden den regionalen Bezug schön. „Die Bilder haben genauso viele Geschichten zu erzählen wie unsere Leute“, meint die Geschäftsführerin. Sie kommen bei den Bewohnern und deren Verwandten auch gut an. Seitdem das Seniorenzentrum am 1. Juni eröffnete, sind 35 Personen eingezogen. Über 80 Prozent von ihnen stammen aus Krofdorf-Gleiberg. „Viele wissen noch, welche Personen und Ecken da abgebildet sind“, freut sich Szenjan. Mit dem Gebäude verbinden die Senioren ebenfalls viel. Die meisten gingen als Jugendliche in die ehemalige Gaststätte Moos, um zu Tanzen. Heute verbringen sie dort ihren Lebensabend.

Günter Schlierbach von den Fotofreunden findet ebenfalls: „Wir haben eine gute Wahl getroffen.“ Bei einem Rundgang durch das Haus erläutert er das eine oder andere Bild. Auf dem einen ist eine Frau auf dem Weg zum Backhaus zu sehen. In der Schubkarre liegen Reisig und Geräte für das Backhaus. Auf einem anderen wird gerade die Ernte eingeholt. An den Mandolinenverein auf einem Bild kann er sich ebenfalls noch erinnern. Auf einem anderen ist die Kriegskirmes von 1918 abgebildet.

Die Fotofreunde haben sich 1956 gegründet. Die 36 Mitglieder im Alter von 45 Jahren bis 60+ treffen sich jeden Freitag im Klubhaus. Dort werden die Bilder zu einem bestimmten Thema gemeinsam angeschaut und darüber diskutiert. Die 5000 Bilder, die sie dem Seniorenzentrum Gleiberger Land zur Verfügung stellten, sind schon seit den 60er Jahren in ihrem Besitz. Damals fand einer der Fotofreunde auf einer Mülldeponie mehrere alte gerahmte Bilder. Sie beschlossen, dass diese Erinnerungen nicht verloren gehen sollten. Sie starteten einen Aufruf, in dem jeder ihnen alte Bilder zukommen lassen konnte. Diese sollten als Dias verewigt werden. Mittlerweile sind alle Fotos digitalisiert.

 

Zusammenarbeit

Auch für die Zukunft kann sich Ammon eine Zusammenarbeit mit den Fotofreunden vorstellen. Ausstellungen wären eine mögliche Option. „Ich bin für so was offen. Ich bin froh über ein bisschen Action, dann wird unseren Leuten hier nicht langweilig“, bekräftigt die Heimleiterin. Einmal wird sie auf jeden Fall noch auf die Fotofreunde zugehen: Unter den Bildern sollen noch kleine Beschreibungen angebracht werden, damit jeder weiß, was dort zu sehen ist.